Mein Freund ist Moslem und nicht nur das, er ist auch noch Araber. Als ich das meiner Mutter und meiner Tante das erste mal erzählt habe, waren ihre Reaktionen alles andere als freudig. Meine Mutter hörte abrupt auf zu sprechen und meinte Tante hatte plötzlich Angst um mich. Das alles verunsicherte mich sehr. Und dann war ich mir auf einmal nicht mehr sicher, ob ich mich vielleicht auf etwas Falsches eingelassen habe.
Diese Verunsicherung ging auch noch einige Wochen so weiter. Dieses Gefühl von Misstrauen kam und ging und ließ mich nicht mehr los. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass mein neuer Freund vielleicht bald die Katze aus dem Sack lassen würde und dieser so tolle und unkomplizierte Anfang dann doch sein schnelles Ende nehmen würde.
Die Katze kam nicht aus dem Sack, bis heute nicht. Alle ach so wilden Bedenken, wie „betet der jetzt jeden morgen?“ oder „hat er vielleicht noch eine Familie mit Kindern im Heimatland?“ haben sich schneller in Luft aufgelöst, als ich gucken konnte.
Was ich aber durch diese mir bisher doch unbekannte Kultur gelernt habe ist erstaunlich. Welchen noch so abenteuerlichen Vorurteilen ich in mir selbst begegnet bin, ist noch erstaunlicher. Augenscheinlich tolerant und weltoffen wandelte sich mein wahres ICH durch die Nähe der Beziehung in viele alte ängstliche Ideen, die auf einmal ungefragt aus meinem Kopf herauskrochen. Ich meine, wer hat nicht als Kind das Buch „Nicht ohne meine Tochter“ auf dem Büchertisch seiner Eltern liegen sehen….dieses erdrückende Gesicht unter dieser Burka…ein fest eingeprägtes Buchcover in meinem Kopf. Und gleichzeitig eine Totschlagsindoktrination die dir nicht hinterfragbar vermittelt „Kind, lass Dich einmal auf so jemand aus dem Orient ein und dir wird was blühen, dass du um dein Leben kämpfen musst“. Auch wenn es mir schwer fiel einzugestehen, diese alten Ideen, angstmachenden Vorstellungen und Eindrücke saßen noch immer fest in meinem Bewusstsein und ich war plötzlich damit konfrontiert. Alles tauchte wieder auf, mehr, als mir selbst lieb war denn – das waren ja sonst immer diese Vorurteile, die ich bei anderen gesehen und verurteilt habe….
Es half nix, ich setzte mich damit auseinander. Eins nach dem anderen, immer wenn ich das Gefühl hatte, dass jetzt schon wieder etwas da ist, mit dem ich nicht umgehen konnte. Ich untersuchte diese Gedanken, manchmal zusammen mit meinem Freund, wir überlegten, wo sowas herkommt, was das mit Menschen macht. Der Lieblingssatz meines Freundes zu der Zeit war „Wieviel Araber kennst du?“. Das katapultierte mich in windeseile in die Gegenwart und die Erkenntnis, dass ich mir hier Sorgen über Dinge machte, die mir irgendwann, irgendwer erzählt hatte (ich konnte mich noch nicht mal erinnern wer eigentlich), ich sie dann so übernommen habe, obwohl ist überhaupt nicht wusste. Das machte mich neugierig. Ich stellte viele Fragen und immer wieder fest, sooo unterschiedlich, wie ich es in meinem Kopf machte, waren wir gar nicht. Und alles was verschieden aussah, waren bei nährer Betrachtung total interessant, wenn man es besser verstehen konnte.
Menschen sagen, wenn man sich liebt, dann kann man alles überwinden. Ich frage mich langsam, wieviele trauen sich gar nicht, die Liebe zuzulassen, vor lauter Angst vor dem, was man nicht weiß.
Warum es von Vorteil ist, einen Moslem in der Familie zu haben? Wenn du Glück hast, und der Partner kommt wie bei mir aus dem arabischen Raum, wirst du ein geschmackliches Wundermeer von Köstlichkeiten erleben und er wird deine Küche zu seiner machen. Vermutlich wird er danach alle deine Freunde einladen und im Anschluss deinen kompletten Gewürzschrank erneuern, genauso, wie du deine Vorurteilsschrank Stück für Stück weiter aufmachst und erneuerst. du wirst dieses „wie geht’s eigentlich den Eltern?“ Thema an deine bessere Hälfte abgeben können – Familienmanagement ist ja eins der Steckenpferde, du kannst dir sicher sein, dass ein perfekter Kommunikationsfluss aufrechterhalten wird und man deine Mutter öfter anrufen wird als du selbst. Und wenn mal jemand aus deiner Familie im Krankenhaus ist, wirst du es nicht schaffen, der erste Besucher zu sein – dein Freund wird es zu seiner höchsten Priorität machen und mit Blumen, Schokoloade und Lakritze in der Hand vor dir dort gewesen sein.
Überwinde ehrlich deine eigenen Überzeugungen, mach dir ein eigenes Bild, stelle Fragen und tue was für eine offenere Gesellschaft, in der Menschen einfach unterschiedlich sind und es auch gut so ist. Und natürlich wird dir auch dein Umfeld all die Fragen stellen, die du dir auch vorher selbst gestellt hast. Und deine Antworten werden Menschen helfen auch ihre Ansichten zu überprüfen. Und irgendwan ist nur noch Baklava und jede Menge lachen.. sowie die tiefe Einsicht, wie verdammt unwahr manche scheinbar sich wahr anfühlenden Überzeugungen sind, die uns vermeintlich trennen.
Lust bekommen? Das man sich absichtlich einen Moslem suchen sollte als Freund ist natürlich nur ein Spaß. Aber die eigenen Ansichten zu untersuchen, wirklich ehrlich zu werden, Dich dem zu stellen, was dir Angst macht, dass kann ich nur wirklich jedem empfehlen. Und tue nur gar nicht so, als hättest du keine Vorurteile :-), das wäre von Anfang an gelogen.
vvv
„Die Mission von Avatar in der Welt ist es, ein Katalysator zu sein für die Integration von Glaubenssystemen. Wenn wir erkennen, dass der einzige Unterschied zwischen uns unsere Überzeugungen sind, und dass Überzeugungen sehr leicht kreiert und diskreiert werden können, wird das Spiel um richtig oder falsch allmählich aufhören, ein Spiel des gemeinsamen Kreierens wird sich entfalten, das Frieden in die Welt bringen wird.“ Harry Palmer